Rückblick 2023

Besuch in einer anderen Zeit

Zwei Stufen herab in die Stube und ich bin in einer anderen Zeit. Spärliches Licht und Luft, die man schneiden könnte.  Nach Speck und Rauch duftet es hier. Die kleinen Fenster in den dunklen Hof öffnet man nie. Wozu? Sie würden sowieso kein Licht hineinbringen.

Überall Messing-Zeug. Im Staub auf dem Boden stehen unzählige Messing-Gefäße. Wein- oder Wasserkrüge, Töpfe allen Größen, Suppenschüsseln, Schalen gestapelt. Eine Badewanne sogar. Sie ruht in der hinteren Ecke und wartet auf denjenigen, der den Schmutz von einer langen Reise loswerden kommt.

Backformen aller Art hängen in Reihen an den Wänden. Was hat man hier gebacken und gekocht? Ein flüchtiger Gedanke eines modernen Weibes, das lieber essen geht, als seine wertvolle Zeit in der Küche zu vergeuden. Ein Gedanke, der schon im nächsten Moment verloren gegangen ist.

Mitten des orange leuchtenden Chaos ragt ein mächtiges Stück Holz empor. Ein Ess- oder Küchentisch vielleicht? Zwei grob gehobelte Sitzbänke an ihm. Auf dem Tisch ein Schneidebrett, ein großes Messer mit einem hölzernem Griff und ein paar ungeschälte Zwiebeln drum herum. An der Seite eine Messing-Dose mit Deckel. Für Zucker oder Salz? Wer weiß? Sie verbirgt ihr Geheimnis und wird es heute nicht verraten.

Ganz hinten in der Ecke eine offene Feuerstelle und ein schwarzer Kamin. Daneben ein wackeliger Hocker mit einem dicken Schafsfell drüber. Sitzt da jemand? Ein großer bärtiger Mann schaut mich mürrisch an. Mit Lappen in seiner Hand poliert er langsam, konzentriert eine Messing-Pfanne. Schon wieder sein Blick. „Du störst hier“, sagt der Blick. Was der Mann nie aussprechen wird. Plötzlich packt mich Angst. Verlangen nach einem Schluck frischer Luft. Drei hastige Schritte durch die Tür in den Sonnenschein draußen. Jetzt kann ich wieder atmen. Ich drehe mich noch um. Die Stube ist menschenleer. Nur ein großer schwarzer Kater bewacht sein Königsreich.

Ivana Matejkova aus Prag

15.8.2023, Meißen